Sonntagnachmittag, strahlender Sonnenschein, bestes Inlinehockeywetter. Beim Besuch des ISC Mannheim herrschten auf dem Rüsselsheimer Hockeyplatz beste Bedingungen. Sportlich schien die Sache von Beginn an klar zu sein. Tabellenerster gegen Schlusslicht. Was sollte da schon großartig passieren? Es roch nach einer weiteren Packung für den RRSC.
Was den Zuschauern dann jedoch geboten wurde, darf man getrost als hochklassiges Inlinehockey bezeichnen. Das lag vor allem daran, dass die Royals sich nicht wie ein typischer Tabellenletzter verhielten, sondern vom ersten Moment an wie die Feuerwehr loslegten und ihr Heil in der Offensive suchten. Damit schafften es die Jungs mit dem Totenschädel auf der Brust, den designierten Meister aus der Quadratestadt schon ein wenig zu beeindrucken. Schon früh in der Partie stand fest, dass der Ausflug nach Südhessen nicht der erhoffte lockere Spaziergang sein würde. Der ISC zeigte dann aber schnell, warum er auf dem ersten Tabellenplatz steht und hielt mit voller Kraft dagegen.
Auf beiden Seiten gab es massenhaft Torchancen. Die Keeper standen unter Dauerbeschuss. Einige sehenswerte Paraden gab es zu bestaunen, ehe es in der elften Minute zum ersten Mal im Kasten klingelte. Als Christoph Brabandt, einer von nur acht Royals-Akteuren an diesem Tag, die Scheibe ins Tor beförderte, durfte der RRSC zum ersten Mal jubeln. Der ISC traf allerdings postwendend zum Ausgleich, so dass die Führung nur von kurzer Dauer war. Kurz vor dem Pausentee zappelte die Scheibe wieder im Netz. Brabandt brachte dasSpielgerät vor das gegnerische Tor. Nach einer unübersichtlichen Situation lag der Puck auf einmal im Kasten. Den Treffer bekam Tim Bornhausen gutgeschrieben.
Zum Auftakt des zweiten Viertels erzielte der ISC prompt den Ausgleich. Nun schien der Hockey-Goliath endgültig ins Rollen zu kommen. So richtig in den Griff bekamen die Mannheimer ihren Gegner aber nicht. Das lag vor allem daran, dass die RRSC-Puckjäger um jeden Zentimeter des Platzes kämpften und sich dazu noch auf Goalie Jan Schneider verlassen konnten, wenn es einmal brenzlig wurde — und dann, praktisch aus dem Nichts, landete die Scheibe auf Höhe der Mittellinie bei Timo Dombrowski. Der Blondschopf fackelte nicht lange, enteilte seinen Gegenspielern und beförderte den Puck mit einem satten Schuss ins Tor.
In der 26. Spielminute war der RRSC, begünstigt durch eine Powerplay-Situation, erneut erfolgreich. Bornhausen stand nach einem Abpraller goldrichtig und staubte zum 4:2 ab. Da staunten die Zuschauer natürlich um die Wette. Mit diesem Zwischenstand, der übrigens bis zur Halbzeitpause unverändert blieb, hätte wohl der kühnste Optimist nicht gerechnet. Dank der großen Leidenschaft, des Einsatzwillens und der Kampfkraft schien die Sensation möglich zu sein.
ISC schlägt zurück
Mit dem Wiederanpfiff fiel der nächste Treffer. Dieses Mal war Mannheim dran. 47 Sekunden waren im dritten Viertel gespielt, als Sven Reutter den ISC wieder auf ein Tor heranbrachte. Wenige Minuten später bekamen die Royals eine Strafzeit aufgebrummt. Die Gäste fackelten dann nicht lange, schoben sich die Scheibe einen Moment lang zu und trafen in der 39. Spielminute zum Ausgleich. Rüsselsheim ließ sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen und spielte konzentriert weiter. Auf beiden Seiten tobte eine echte Hockey-Schlacht. Etliche Torchancen wurden von beiden Mannschaften herausgespielt. Für die Zuschauer war das ein echter Genuss — und es sollte noch besser werden.
Die 41. Spielminute war gerade angebrochen, als Dombrowski, der ein bärenstarkes Spiel machte, den RRSC wieder in Führung brachte. Nach einem Zuspiel von Franz Schmidt stellte er die Anzeigetafel auf 5:4. Es gehört zur Geschichte des Spiels, dass sich der ISC davon nicht sonderlich beeindrucken ließ und direkt im Gegenzug wieder den Ausgleich schaffte. Doch die Royals, fest entschlossen und voller Selbstvertrauen, schlugen in der 45. Spielminute noch einmal zu. Schmidt, der wieder hunderte Kilometer Anreise in Kauf nahm, um dabei sein zu können, leitete die Scheibe weiter zu Bornhausen, der nicht lange fackelte und mit dem Treffer zum 6:5 den Hattrick vollmachte.
Ganz knapp dran
Im letzten Viertel mobilisierten beide Teams die letzten Kräfte. Hendrik Fichtner, ein Veteran aus hundert Rüsselsheimer Schlachten, krempelte wie alle anderen noch einmal die Ärmel hoch. Wie viel Liter Schweiß Fichtner auf dem Platz verteilte, ist nicht mehr nachweisbar.
Kapitän Janik Schwedler hatte in der kurzen Pause anscheinend die richtigen Worte gefunden. Das merkten die Zuschauer allein schon daran, dass auch in den letzten 15 Minuten so richtig die Post abging — und der Rüsselsheimer Expresskurier mit der Nummer 69 auf dem Rücken nahm noch einmal Fahrt auf. Wie schon im zweiten Viertel bekam Dombrowski den Puck an der Mittellinie, dieses Mal aber nicht durch freundliche Unterstützung der Glücksgottin Fortuna, sondern dank Bornhausen, der seinen Teamkollegen mit einem Steilpass auf die Reise schickte. Dombrowski umkurvte einen Gegenspieler, checkte noch einmal die Adresse und lieferte das kleine rote Päckchen dann direkt im Mannheimer Gehäuse ab. Damit stand es 7:5 für die Royals. Für Dombrowski war es ebenfalls der Hattrick. Sollte es wirklich ein kleines Hockeywunder am Sommerdamm geben?
Als der RRSC in der 54. Spielminute erneut eine Unterzahl-Situation zu überstehen hatte, witterte der ISC seine Chance. Es dauerte dann nur wenige Sekunden, ehe Mannheim erfolgreich war. Thomas Wohlfarth überwand nach einer Pass-Stafette Goalie Schneider. Wohlfarth hatte aber noch nicht genug. Wenige Sekunden später gelang ihm das 7:7. Auch für ihn war es der dritte Treffer des Tages.
Und dann, ganz bitter und extrem schmerzhaft, erlitten die Royals den finalen Knockout: 15 Sekunden vor der Schlusssirene ging der ISC zum ersten Mal an diesem Tag in Führung. Reutter schickte Rüsselsheim mit seinem Treffer zum 7:8 auf die Verliererstraße. Nach dem Gegentor blieb den Royals keine Zeit mehr, um zurückzuschlagen. Die intensive, aber stets faire Partie endete schlussendlich mit einer Niederlage.
Die Enttäuschung war natürlich deutlich spürbar. Mehrere Male hatte der Tabellenletzte gezeigt, dass in der laufenden Oberliga-Saison mehr für die Jungs aus der Opelstadt hätte herausspringen können, deshalb schmerzt dieses Ergebnis umso mehr. Dennoch darf man nach einer solchen Partie auch ein wenig stolz sein. Schließlich war es ein Spiel mit einer großen Qualität. So etwas hat Seltenheitswert. Vor dieser Leistung, und damit sind beide Mannschaften gemeint, kann man nur den Hut ziehen.
Der Kapitän hat das Wort
Janik Schwedler: Ein Spielverlauf, den ich so nicht erwartet habe. Ich habe es noch immer nicht verarbeitet. Mich freut, dass wir die Rüsselsheimer Leidenschaft und den Spaß auf dem Platz wiederentdeckt haben. Jeder hat sich extrem den Allerwertesten aufgerissen und nochmal eine Schippe draufgelegt. Mich freut auch, dass mein Spielkonzept voll aufgegangen ist. Umso ärgerlicher ist es, richtiggehend deprimierend, dass es für uns dann nicht zu einem Punkt gereicht hat. 15 Sekunden haben gefehlt, das zerrt an den Nerven. Hut ab, an alle die mitgespielt haben. Das war, trotz unseres kleinen Kaders, echte Werbung für unsere Sportart.
Statistik:
Rüsselsheim Royals vs. ISC Mannheim (7:8)
Aufstellung Rüsselsheim: Jan Schneider, Hendrik Fichtner, Benjamin Groß, Christoph Brabandt, Tim Bornhausen, Franz Schmidt, Timo Dombrowski, Janik Schwedler.
Tore Rüsselsheim: Bornhausen, Dombrowski (je 3), Brabandt.
Strafzeiten: Rüsselsheim (6 Minuten) / Mannheim (2)
Kommentar schreiben